Das amerikanische Kino präsentierte sich erneut sehr heterogen: Während Terms of Endearment | Zeit der Zärtlichkeit von James L. Brooks als glattes Hollywood-Produkt abgehakt wurde, stand John Cassavetes mit Love Streams einmal mehr für die andere, die kompromisslose und unbestechliche Seite des amerikanischen Filmschaffens. Der Goldene Bär für Love Streams wurde zwar gegensätzlich kommentiert, aber auch wenn der Film nicht auf Anhieb die Kraft von anderen Cassavetes-Filmen entwickelt, so wurde er als „ein radikales, verzweifeltes, exzentrisches und doch auch manchmal tröstliches Werk“ (Ulrich Greiner in der „Zeit“) gefeiert, der in gewisser Weise die Quintessenz eines beispiellosen Lebenswerks enthält. Es sollte John Cassavetes’ letzter Film bleiben.
Das Forum macht Musik - die Info-Schau zieht die Register
Im Forum gab es in diesem Jahr einen Schwerpunkt mit Musikfilmen: Filmen über Musik - etwa mehrere Filme über den argentinischen Tango und seine Verbindung zur politischen Geschichte Argentiniens - aber auch Filme, die musikalisch komponiert waren, wie der kanadische Au Pays de Zom von Gilles Groulx oder Sally Potters The Gold Diggers. Ulrike Ottingers Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse und Ula Stöckls Der Schlaf der Vernunft waren die meist beachteten bundesdeutsche Filme im Forum. Zudem war eine Hommage-Reihe dem „Kleinen Fernsehspiel des ZDF“ gewidmet, einer Redaktion, die zu den stetigen Förderern und Entdeckern junger Talente des deutschen Films zählte.
Die Info-Schau präsentierte sich in diesem Jahr mit mehreren separaten Programmreihen: Neben einer kleinen Werkschau „Neue Österreichische Filme“ gab es eine Reihe „US-Non-Majors“ und ein 20 Filme umfassendes „Mittelmeer-Panorama“. Filme aus Italien, Israel, Ägypten, Spanien, Jugoslawien und anderen mediterranen Anrainerstaaten setzten hier erstmals einen geografischen Schwerpunkt, der von der Presse weitgehend positiv aufgenommen wurde. In der auf mehrere Schwerpunkte verteilten Programmstruktur der Info-Schau zeichnete sich bereits das Profil dessen ab, was dann wenig später Panorama heißen sollte.
Reaganomics im Kinderfilmfest?
Das Festival 1984 verlief weitgehend ohne die Querelen der Vorjahre. Im Kinderfilmfest allerdings sorgte der Eröffnungsfilm Kidco | Die Jungen Profis für wütende Kritiken. Nachdem die Schauspielerin Liv Ullmann, die in diesem Jahr auch der Internationalen Jury vorsaß, das Kinderfilmfest eröffnet hatte, lief ein Film, der vielen Beobachtern allzu forsch einen „american way of life for children“ propagierte. „Ein Ärgernis“ befanden Christel und Hans Strobel in der „KinderJugendfilmKorrespondenz“. Selbst das Amüsement der kleinen Zuschauer sei angesichts dieser „Glorifizierung kapitalistischer Wertvorstellungen“ kein haltbares Argument für Kidco. Die Reagan-Ära hatte das Kinderfilmfest erreicht.
Das Jahr 1984 markierte einen Höhepunkt im Umfang des Berlinale-Programms. 556 Filme liefen allein in den Sektionen Wettbewerb, Kinderfilmfest, Info-Schau, der Reihe Neues Deutsches Kino und in der Filmmesse. Hinzu kam das umfangreiche Programm des Forums. Der Versuch, der Masse durch Ausrufung von Reihen und Sonderprogramm eine Struktur zu geben, rief eher den Unmut der Kommentatoren hervor. Man drohte den Überblick zu verlieren und die Menge an Filmen generierte bei vielen mehr Frust als Lust. In einer bissigen Kritik in der „Süddeutschen Zeitung“ warf die erfahrene Festivalbeobachterin Karena Niehoff symbolisch das Handtuch. Echt tu matsch hieß ein Film im Kinderfilmfest dieses Jahres: Das traf es, meinten viele.