Généalogies d'un crime

Genealogies of a Crime | Genealogien eines Verbrechens
Eine Anekdote aus der Geschichte der Psychoanalyse gab die Anregung zu diesem Film: Hermine Hellmut von Hug, eine Kinderpsychologin im Wien der Jahrhundertwende, glaubte herausgefunden zu haben, daß ihr fünfjähriger Neffe Tötungsneigungen aufweise. Als Freudianerin war sie überzeugt, daß die kindliche Entwicklung in diesem Alter abgeschlossen sei. Sie würde daher die unausweichlich kriminelle Persönlichkeitsentwicklung des Neffen so lange beobachten, bis er irgendwann das von ihr erwartete Verbrechen beging. Was geschah, war folgendes: Der Neffe tötete die Tante – die einzige Person, die von seinen mörderischen Neigungen wußte. Soweit die Fakten.

Im Film wird der junge Angeklagte, René, von einer Rechtsanwältin, Solange, vertreten. Ihre Absicht ist es, das verwickelte Spiel der subtilen Verbindungen zwischen Opfer und (zukünftigem) Täter über mehr als zehn Jahre hinweg aufzurollen.

Zunächst sieht es so aus, als hätte Jeanne – die Tante – nicht nur eine unausweichliche Neigung erforschen wollen, sondern darüber hinaus auch eine neue Theorie beweisen wollen. Der junge Mann wiederum hat anscheinend nicht nur seine Tante für ihre geschmacklose Neugier bestrafen wollen, sondern ist offenbar einer unwiderstehlichen „Einladung zum Mord“ gefolgt. Kurz gesagt: es geht um Determinismus versus Freiheit des Willens.

Doch im Laufe der Untersuchungen nimmt der Fall für Solange eine unerwartete Wendung. […]



Dokumentation der 47. Internationalen Filmfestspiele Berlin 1997
von Raoul Ruiz
mit Catherine Deneuve, Michel Piccoli, Melvil Poupaud
Frankreich / Portugal 1996/97 113’