Normal

Adele Tullis formal gradliniges und ästhetisch überzeugendes Filmdokument handelt von starren Genderrollen und der unkritischen Unterwerfung unter das Diktat der (Hetero-)Normativität. Die Regisseurin richtet die Kamera auf alltägliche Handlungen, Rituale und Szenen und lässt einige Situationen durch eine konterkarierende Bild-Ton-Montage befremdlich erscheinen. In langen, ruhigen Einstellungen zeigt sie, wie Mädchen zu Prinzessinnen geschminkt werden, wie ein Vater seinen Sohn auf ein Motorradrennen begleitet und wie kreischende Teeniemädchen sich mit dem angehimmelten YouTube-Star ablichten lassen. Sie zeigt Jungs beim Ego-Shooter- und Gotcha-Spielen, verfolgt das Fotoshooting eines frisch verheirateten Paares, zeigt ausufernde Junggesellinnenabschiede, filmt einen Kurs, der jungen Männern zeigen soll, wie man zum Alphamännchen wird, und einen, in dem Frauen lernen sollen, wie man dem Mann in der Ehe am besten dienen kann. Dabei bleibt Tulli konsequent beobachtend, fast distanziert. In der kommentarlosen Aneinanderreihung dieser unzähligen stereotypen Handlungen ist letzten Endes dann doch ein Kommentar enthalten.
von Adele Tulli Italien / Schweden 2019 Italienisch 70’ Farbe Dokumentarische Form

Stab

Regie Adele Tulli
Kamera Clarissa Cappellani, Francesca Zonars
Montage Ilaria Fraioli, Elisa Cantelli, Adele Tulli
Musik Andrea Koch
Sound Design Riccardo Spagnol
Mischung Paolo Segat
Ton Davide Pesola
Produzent*innen Valeria Adilardi, Luca Ricciardi, Laura Romano, Mauro Vicentini
Koproduktion AAMOD - Audiovisual Archive of the Democratic and Labour Movement Rom
Istituto Luce Cinecittà Rom
Intramovies Rom
RAI Cinema Rom
Ginestra Films Stockholm
Arts and Humanities Research Council UK (AHRC) Swindon
Roehampton University London

Adele Tulli

Die Filmemacherin und Wissenschaftlerin schloss 2018 mit einem Ph.D. ihr Studium an der Roehampton University in London ab, wo sie zu subversiver Filmästhetik im queeren und feministischen Kontext forschte. Sie interessiert sich für experimentell-dokumentarische Formen ebenso wie für Gender Studies und Visuelle Anthropologie. Ihre Filme 365 Without 377 über die Kämpfe der LGBT-Community in Indien und Rebel Menopause über die feministische Aktivistin Thérèse Clerc liefen auf zahlreichen Festivals und wurden mehrfach ausgezeichnet.

Filmografie

2011 365 Without 377; Dokumentarfilm 2014 Rebel Menopause; Kurzfilm

Stand Bio- & Filmografie: Berlinale 2019