Berlinale Shorts

14.01.2020
Von der Freiheit, sich selbst die Freiheit nicht zu nehmen - Berlinale Shorts präsentieren ihr Programm und die Internationale Kurzfilmjury 2020

Vor 70 Jahren wurde die Berlinale gegründet, als „Schaufenster der freien Welt“. Wie sieht Freiheit heute aus? Wie nimmt man sich Freiheit - im doppelten Sinne des Wortes? In 24 Filmen aus 18 Ländern ziehen sich diese und weitere Fragen durch das Wettbewerbsprogramm der Berlinale Shorts 2020.

Für die Berlinale Shorts selbst beginnt dieses Jahr ein neues Kapitel. Nachdem Maike Mia Höhne die Sektion zwölf Jahre leitete, übernimmt Anna Henckel-Donnersmarck nun die Position als Kuratorin und Sektionsleiterin und präsentiert ihr erstes Programm.

„Der Kurzfilm genießt eine besondere Freiheit“, so Henckel-Donnersmarck. „Er muss keiner Norm gerecht werden, keine Erwartungshaltung erfüllen, keine Verwertungsketten bedienen. Seine besondere Magie entfaltet sich jenseits der gängigen Sehgewohnheiten. Diese Magie möchten wir mit dem Publikum teilen.“

Die insgesamt 24 Filme bewegen sich fließend im weiten Spektrum der Themen sowie Ästhetiken und laden ein zu Reflexion, Inspiration und Diskussion:

1988 nahm Gabriele Stötzer sich die Freiheit und bat ihre Freund*innen im ostdeutschen Erfurt, sich an selbst gewählten Orten in Ekstase zu tanzen (Veitstanz/Feixtanz). 22 Jahre später versuchen virtuelle Soldaten innerhalb eines Computerspiels zu desertieren und damit die gesellschaftlichen Regeln des Spieles und des Krieges zu unterlaufen (How to Disappear). Nach kleinen und großen Momenten der Verweigerung und Widerspenstigkeit (HaMa'azin, Filipiñana, Girl and Body, So We Live, Inflorescence) wird ebenso gesucht wie nach dem konkreten Freiheitsgefühl, das einem durch eine Gefängnisstrafe genommen wurde (Huntsville Station).

Auch Tod und Verschwinden ziehen sich durch das Programm (Gumnaam Din, A l'entrée de la nuit). Eigenwillige Trauerrituale spenden Trost und stiften Gemeinschaft (T, Playback. Ensayo de una despedida, Écume) und sind darüber hinaus eine Auseinandersetzung mit der Gegenwart (Union County, Atkūrimas) und Vergangenheit (Cause of Death) unserer Gesellschaft. Und dann gibt es noch all die filmischen Welten, die jenseits des Realen liegen und ihm damit seine Schwere nehmen (Genius Loci, Celle qui porte la pluie). Oder die absurden Kosmen, die ihre ganz eigenen Regeln aufstellen und damit Freiheit für sich neu definieren (It Wasn't the Right Mountain, Mohammad, Stump the Guesser, My Galactic Twin Galaction). Nicht zuletzt ermöglicht das Entwickeln eigener ästhetischer Regeln filmische Denkräume, die jenseits von Worten und Analysen zu finden sind (2008, Aletsch Negative, A Demonstration). Eine Freiheit, die eine Wonne sein kann.

Filme der Berlinale Shorts 2020

2008, Blake Williams, Kanada, 12’ (IP)
À l'entrée de la nuit, Anton Bialas, Frankreich, 19’ (WP)
Aletsch Negative, Laurence Bonvin, Schweiz, 12’ (IP)
Atkūrimas, Laurynas Bareisa, Litauen, 13’ (WP)
Cause of Death, Jyoti Mistry, Südafrika / Österreich, 20’ (WP)
Celle qui porte la pluie, Marianne Métivier, Kanada, 17’ (IP)
A Demonstration, Sasha Litvintseva, Beny Wagner, Deutschland / Niederlande / Vereinigtes Königreich, 25’ (WP)
Écume, Omar Elhamy, Kanada, 28’ (WP)
Filipiñana, Rafael Manuel, Philippinen / Vereinigtes Königreich, 24’ (WP)
Genius Loci, Adrien Mérigeau, Frankreich, 16’ (IP)
Girl and Body, Charlotte Mars, Australien, 19’ (IP)
Gumnaam Din, Ekta Mittal, Indien, 29’ (IP)
HaMa'azin, Omer Sterenberg, Israel, 11’ (IP)
How to Disappear, Robin Klengel, Leonhard Müllner, Michael Stumpf, Österreich, 21’ (WP)
Huntsville Station, Jamie Meltzer, Chris Filippone, USA, 14’ (WP)
Inflorescence, Nicolaas Schmidt, Deutschland, 8’ (WP)
It Wasn't the Right Mountain, Mohammad, Mili Pecherer, Frankreich, 29’ (WP)
My Galactic Twin Galaction, Sasha Svirsky, Russische Föderation, 7’ (WP)
Playback. Ensayo de una despedida, Agustina Comedi, Argentinien, 14’ (IP)
So We Live, Rand Abou Fakher, Belgien, 16’ (WP)
Stump the Guesser, Guy Maddin, Evan Johnson, Galen Johnson, Kanada, 19’ (WP)
T, Keisha Rae Witherspoon, USA, 14’ (IP)
Union County, Adam Meeks, USA, 14’ (WP)
Veitstanz/Feixtanz, Gabriele Stötzer, DDR, 25’, 1988 (außer Konkurrenz)

Neben den etablierten Spielstätten CinemaxX und Colosseum wird Berlinale Shorts auch das CUBIX und den Zoo Palast bespielen. Im Zoo Palast finden erstmals die ausführlichen Publikumsgespräche statt, frei nach dem Motto „Shorts take their time“.

Sondervorführungen für Presse und Akkreditierte finden am 22. und 23. Februar 2020 im CUBIX statt, sowie im Vorfeld am 4. Februar 2020 im Kino Arsenal. Die Premieren der Berlinale Shorts-Filme beginnen offiziell am Montag, den 24. Februar 2020.

Die Internationale Kurzfilmjury

Lemohang Jeremiah Mosese, Réka Bucsi und Fatma Çolakoğlu

Für die Internationale Kurzfilmjury 2020 wurden die ungarische Animationsfilmerin Réka Bucsi, die türkische Kuratorin Fatma Çolakoğlu und der Filmemacher Lemohang Jeremiah Mosese aus Lesotho gewonnen.

Réka Bucsis (Ungarn) magisch-surreale Animationsfilme Symphony No 42, LOVE und Solar Walk feierten ihre Premieren bei Berlinale Shorts, wurden auf Festivals weltweit gezeigt (Sundance, SXSW, Annecy, Pictoplasma, u.a.) und mit über 50 Preisen ausgezeichnet. Für Solar Walk erhielt sie bei der Berlinale den Audi Short Film Award 2018. Diese Arbeit basiert auf einer 45-minütigen filmischen Symphonie, die sie im Auftrag und in Kollaboration mit dem Aarhus Jazz Orchestra realisierte. Bucsi hat sowohl den Bachelor als auch den Master of Arts an der Moholy-Nagy Universität für Kunst und Design absolviert. Zu ihren Kund*innen gehören Adult Swim, FX Networks und Cartoon Network. Sie lebt und arbeitet in Budapest.

Fatma Çolakoğlu (Türkei) ist seit nunmehr 15 Jahren als Kuratorin sowohl für Ausstellungen als auch für Film und Videokunst tätig. 2005 etablierte sie die Filmabteilung des Istanbul Modern - Museum für zeitgenössische Kunst. Anschließend war sie verantwortlich für das Film- und Videoprogramm von Pera Film und leitete die Kommunikationsabteilung des Pera Museums Istanbul. Heute ist Çolakoğlu stellvertretende Direktorin für Forschung und Programmgestaltung am SALT in Istanbul. Çolakoğlu absolvierte ihren Bachelor of Arts in Filmgeschichte und -produktion am Emerson College in den USA und ihren Master of Arts in Theaterregie am Goldsmiths College der University of London.

Lemohang Jeremiah Mosese ist Filmemacher und Künstler aus Lesotho und derzeit ansässig in Berlin. Er arbeitet als Autor, Regisseur und Kameramann. Seine preisgekrönten Kurzfilme und Videokunst-Arbeiten wurden international präsentiert. Moseses Langfilmessay Mother, I am Suffocating. This is My Last Film About You., feierte 2019 bei der Berlinale seine Premiere. Sein Spielfilm This Is Not A Burial, It’s A Resurrection wurde bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig und Rotterdam, dem Museum of Modern Art (MoMA) sowie dem Sundance Film Festival aufgeführt.
Mosese ist Alumnus von Berlinale Talents (2012) und Teilnehmer des „Focus Features Africa First“, der „Realness Screenwriter‘s Residency“, dem „Final Cut Venice“ und „Venedig Biennale Cinema College“ und „Cannes L’Atelier”.

Die Internationale Kurzfilmjury vergibt folgende Preise:

  • Goldener Bär für den Besten Kurzfilm
    (Mit dem Goldenen Bären erlangt der Film die Teilnahmeberechtigung für den Wettbewerb um den Kurzfilm-Oscar im nächsten Jahr)
  • Silberner Bär Preis der Jury (Kurzfilm)
  • Audi Short Film Award, dotiert mit 20.000 €
  • Berlin Short Film Candidate for the European Film Awards
    (Der Gewinnerfilm ist der Berliner Kandidat für die Preiskategorie „European Short Film“)

Presseabteilung
14. Januar 2020