Panorama

15.12.2022
Tracking the Unseen. Filme als Werkzeuge des Widerstands

La Sirène von Sepideh Farsi

Erste Filme aus der Ukraine, dem Jemen und über den Iran sind bestätigt; Starkes feministisches US-Kino und weltweiter Trend zu transnationalem Filmschaffen im Spiel- und Dokumentarfilm. Von den 14 ausgewählten Filmen sind elf Weltpremieren unter der Beteiligung von 19 Ländern. Neue Filme von: Sepideh Farsi, Jennifer Reeder, Tina Satter, Sacha Polak, Malene Choi und Ira Sachs.

„Das unabhängige Filmschaffen beeindruckt in diesem Jahr aus vielen Ecken der Welt. Besonders imponieren die vielen Arbeiten von Filmschaffenden weltweit, die Krieg, systematischer Verfolgung und Unterdrückung mit ihren Filmen trotzen. Der Trend zu transnationalem Filmschaffen spiegelt sich in den zahlreichen starken Einreichungen wider: Ein reicher Nährboden für ein breit gefächertes, brandaktuelles Panorama 2023”, kommentiert der Sektionsleiter Michael Stütz.

Das Filmkollektiv Babylon‘13 rund um Regisseur Roman Liubyi hat während des russischen Angriffskriegs die Dokumentation Iron Butterflies fertiggestellt. Die deutsche Koproduktion geht mit forensischer Präzision der komplexen Tragik des Kriegs in der Ukraine auf den Grund. In ihrer mitreißenden Animation La Sirène zeichnet die iranische Regisseurin Sepideh Farsi den schicksalsträchtigen ersten Irak-Iran-Krieg nach, dessen Auswirkungen noch in der heutigen iranischen Gesellschaft zu spüren sind. Regisseur Amr Gamal zeigt in Al Murhaqoon den drohenden Abstieg einer Mittelschichtsfamilie im vom Bürgerkrieg gezeichneten Jemen. Eine ungewollte Schwangerschaft wirft viele Fragen auf. Alle drei Filme beleuchten mit ihren verschiedenen stilistischen Mitteln unterschiedliche Zeitebenen kriegerischer Handlungen, ihre internationalen Verstrickungen und die unumgänglichen Folgen für ihre Zivilgesellschaften.

Das US-Indiekino empfiehlt sich in diesem Jahr mit zwei besonders starken Beiträgen: Tina Satters Filmdebüt Reality zeigt die Verhaftung der US-amerikanischen Whistleblowerin Reality Winner. Jennifer Reeder verfestigt mit Perpetrator ihren Status als Genre-Queen des unabhängigen US-Kinos. Ihr subversiver Film pfeift auf Konventionen, weiß dabei aber ganz genau, was gezeigt werden muss, um ihre Figuren und ihr Publikum zu empowern.

Ums pure Überleben kämpft der Kunstdieb Nemo in Inside von Vasilis Katsoupis. Das gnadenlose Sicherheitssystem eines Luxusapartments hat jedoch die Rechnung ohne den großartigen Willem Dafoe gemacht. Wer spielt hier wen an die wortwörtliche Wand?

Dokumentarische Perspektiven befassen sich unter anderem in Au cimetière de la pellicule von Thierno Souleymane Diallo mit der Aufarbeitung des filmhistorischen Erbes des westafrikanischen Landes Guinea, mit der trans*FARC in der einnehmenden Langzeitbeobachtung Transfariana von Joris Lachaise oder mit dem Alltag junger Schüler*innen im Skigymnasium Stams in Bernhard Braunsteins gleichnamigem Portrait.

Das queere Kino schickt sich 2023 an, besonders stark im Programm vertreten zu sein. Der TEDDY AWARD wird am 24. Februar zum 37. Mal verliehen, endlich wieder vor vollem Haus in der geliebten Berliner Volksbühne. Am letzten Sonntag des Festivals wird zum Abschluss traditionell der Panorama Publikums-Preis zusammen mit radioeins und dem rbb Fernsehen verliehen. Wir freuen uns auf ein Festival mit voll ausgelasteten Kinosälen und einem physisch stattfindenden European Film Market an unserer Seite.

Übersicht der am 15. Dezember bekannt gegebenen Panorama-Filme.


Presseabteilung
15. Dezember 2022