Berlinale Shorts

13.01.2022
Berlinale Shorts 2022: Nahaufnahmen des großen Ganzen

Cole Doman und Antonio Marziale in Starfuckers von Antonio Marziale

Mit ihrer furchtlosen Subjektivität laden die Filmemacher*innen der Berlinale Shorts uns ein, die Welt durch ihre Augen zu sehen: „So unterschiedlich die Filme auch sein mögen, beschäftigen sie sich doch alle auf künstlerisch höchst interessante Art und Weise mit unserer Gegenwart. Sie sind dabei aufrichtig in der Haltung und spielerisch frei in der Form. Ich denke, das Verhandeln komplexer Themen im dunklen Kinosaal erleichtert es auch uns – dem Publikum – mit der Komplexität in der Welt draußen vor der Tür umzugehen“, so Sektionsleiterin Anna Henckel-Donnersmarck.

Auf mannigfaltige Weise kristallisieren sich die verschiedenen Themen in den jeweils maximal 30 Minuten Filmlänge. Diese Kondensierung reflektiert gleichzeitig das große Ganze und bringt Ambivalenzen und Brüche zum Vorschein. Wie etwa funktioniert Selbstermächtigung in einer Welt, die geprägt ist von den Folgen des Kolonialismus (Kicking the Clouds, Heroínas) und Kapitalismus (Soum), von Klassismus und Rassismus (Four Nights), von #MeToo (Starfuckers) oder Social Media (By Flávio)? Wohin führt die Umweltzerstörung Mensch und Natur (Chhngai Dach Alai, Agrilogistics, Haulout)? Welche Auswirkungen haben autoritäre politische Systeme auf die Leben Einzelner (Will My Parents Come to See Me, Trap, Dirndlschuld) und was sind die Mechanismen von Krieg (Amintiri de pe Frontul de Est) mitsamt seinen Spätfolgen und globalen Kollateralschäden (Retreat)? Manchmal ist Poesie die Antwort (El sembrador de estrellas, Mars Exalté). Und der Blick nach Innen (Ampangabagat Nin Talakba Ha Likol, Jon-Jae-Ui Jib) und auf das eigene Werden (Bird in the Peninsula, Histoire pour 2 Trompettes, Manhã de Domingo) öffnet die Tür zu traumwandlerischen Welten jenseits der Realität.

„Wir freuen uns, einige vertraute und viele neue Gesichter im Programm der Berlinale Shorts begrüßen zu dürfen“, sagt Anna Henckel-Donnersmarck. Unter ihnen sind die Bärenpreisträger*innen Radu Jude (Goldener Bär für den Besten Film 2021), Atsushi Wada (Silberner Bär Preis der Jury (Kurzfilm) 2012) und Leonor Teles (Goldener Bär für den Besten Kurzfilm 2016, in diesem Jahr als Kamerafrau dabei). Yann Gonzalez ist als Produzent beteiligt, Deepak Rauniyar ist international für seine Langfilme bekannt, Evgenia Arbugaeva vor allem als Fotografin, Antonio Marziale als Schauspieler. Sky Hopinka, Lois Patiño und Gerard Ortín Castellví haben sich auch im Ausstellungskontext bereits einen Namen gemacht.

Auf dem Blog der Berlinale Shorts werden Interviews mit den Filmemacher*innen und Texte zu ihren Filmen zu finden sein.

Die Internationale Kurzfilmjury der Berlinale Shorts besteht aus der italienischen Künstlerin Rosa Barba, dem deutschen Kurzfilmexperten Reinhard W. Wolf und der indischen Filmemacherin Payal Kapadia. Aus allen 21 Filmen wählen sie den Goldenen Bären für den Besten Kurzfilm, den Silbernen Bären Preis der Jury (Kurzfilm) sowie den Berlin Short Film Candidate for the European Film Awards aus.

Filme der Berlinale Shorts

Agrilogistics
Vereinigtes Königreich / Spanien, 21’
von Gerard Ortín Castellví
Weltpremiere / dokumentarische Form

Amintiri de pe Frontul de Est (Memories from the Eastern Front)
Rumänien, 30’
von Radu Jude, Adrian Cioflâncă
Weltpremiere / dokumentarische Form

Ampangabagat Nin Talakba Ha Likol (It’s Raining Frogs Outside)
Philippinen, 14’
von Maria Estela Paiso
mit Alyana Cabral
Internationale Premiere

Bird in the Peninsula
Frankreich / Japan, 16’
von Atsushi Wada
Weltpremiere

By Flávio
Portugal / Frankreich, 27’
von Pedro Cabeleira
mit Ana Vilaça, Rodrigo Manaia, Tiago Costa
Weltpremiere

Chhngai Dach Alai (Further and Further Away)
Kambodscha, 24’
von Polen Ly
mit Bopha Oul, Phanny Loem
Weltpremiere

Dirndlschuld
Österreich, 15’
von Wilbirg Brainin-Donnenberg
Internationale Premiere / dokumentarische Form

Four Nights
USA / Mexiko / Nepal, 16’
von Deepak Rauniyar
mit Asha Magrati, Dayahang Rai
Internationale Premiere

Haulout
Vereinigtes Königreich / Russische Föderation, 25’
von Evgenia Arbugaeva, Maxim Arbugaev
Weltpremiere / dokumentarische Form

Heroínas (Heroines)
Peru, 21’
von Marina Herrera
Weltpremiere / dokumentarische Form

Histoire pour 2 Trompettes (A Story for 2 Trumpets)
Frankreich, 5’
von Amandine Meyer
Weltpremiere

Jon-Jae-Ui Jib (House of Existence)
Südkorea, 8’
von Joung Yumi
Weltpremiere

Kicking the Clouds
USA, 16’
von Sky Hopinka
mit Brandy Goodbuffalo, Sylvia Gard, Modesta Van Oss
Internationale Premiere / dokumentarische Form

Manhã de Domingo (Sunday Morning)
Brasilien, 25’
von Bruno Ribeiro
mit Raquel Paixão, Leonardo Castro, Silvana Stein, André Pacheco, Indira Nascimento, Valéria Lima
Internationale Premiere

Mars Exalté (Exalted Mars)
Frankreich, 18’
von Jean-Sébastien Chauvin
mit Alain Garcia Vergara
Weltpremiere

Retreat
Deutschland, 30’
von Anabela Angelovska
Weltpremiere / dokumentarische Form

El sembrador de estrellas (The Sower of Stars)
Spanien, 25’
von Lois Patiño
Weltpremiere

Soum
Frankreich, 31’
von Alice Brygo
mit Inti Franc-Régis, Pauline Cormault, Jai Rebière
Weltpremiere / dokumentarische Form

Starfuckers
USA, 14’
von Antonio Marziale
mit Antonio Marziale, Cole Doman, Jonathan Slavin
Internationale Premiere

Trap
Russische Föderation / Litauen, 20’
von Anastasia Veber
mit Ignat Dvoinikov, Elizaveta Broshkova, Anastasia Arzhevikina, Eugene Zherdy
Internationale Premiere

Will My Parents Come to See Me
Deutschland / Österreich / Somalia, 28’
von Mo Harawe
mit Xaliimo Cali Xasan, Shucayb Abdirahman Cabdi, Maxamed Axmed Maxamed, Mohamed Hirsi, Geenyada Madaw, Faysal Colaad Muxumed
Weltpremiere

Die Internationale Jury der Berlinale Shorts

Payal Kapadia, Rosa Barba und Reinhard W. Wolf

Rosa Barba (Italien) – Künstlerin, Filmemacherin
Rosa Barba, Künstlerin und Filmemacherin, verbindet in ihrem Werk Filme, Skulpturen, Installationen, Live-Performances, Texte und Publikationen, die auf den materiellen und konzeptionellen Qualitäten des Kinos beruhen. Sie kreiert Installationen und ortsspezifische Interventionen, in denen untersucht wird, wie Film die physische Qualität des Raumes definiert und das Werk und die Betrachtenden in eine neue Beziehung setzt. Ihre filmischen Arbeiten sind zeitlich unbestimmt, sie bewegen sich zwischen experimenteller Dokumentation und fiktionaler Erzählung. Barbas Werke sind in internationalen Sammlungen, renommierten Institutionen und Biennalen vertreten, darunter: Tate Modern London, Dia Art Foundation New York, Pirelli Hangar Bicocca Milan, Arter Istanbul, Jeu de Paume Paris, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía Madrid, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Biennale di Venezia. Die Neue Nationalgalerie in Berlin feierte ihre Wiedereröffnung 2021 auch mit einer Ausstellung von Rosa Barbas Arbeiten.

Payal Kapadia (Indien) – Filmemacherin
Payal Kapadias poetisches, sehr persönliches und gleichzeitig höchst politisches Langfilmdebüt A Night of Knowing Nothing wurde 2021 in der Quinzaine des Réalisateurs in Cannes uraufgeführt und erhielt den sektionsübergreifenden L'Œil d'Or-Preis für den besten Dokumentarfilm. Er wurde als „eines der elektrisierendsten Debüts dieses Jahres“ bezeichnet und erhielt beim Toronto International Film Festival (TIFF) und Mar del Plata International Film Festival weitere Preise. Ihr letzter Kurzfilm And What Is the Summer Saying feierte 2018 bei der Berlinale seine Premiere und erhielt u.a. den Special Jury Prize beim International Documentary Filmfestival Amsterdam (IDFA). Im Jahr davor kam Afternoon Clouds 2017 bei der Cinéfondation in Cannes zur Uraufführung. The Last Mango Before the Monsoon wurde 2015 bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen mit dem FIPRESCI Preis sowie dem Special Jury Prize ausgezeichnet. Kapadia ist Berlinale Talents Alumna und arbeitet in Mumbai derzeit an ihrem nächsten Langfilm.

Reinhard W. Wolf (Deutschland) – Film- und Medienkunstkurator, Publizist
Reinhard W. Wolf leitet das Mainzer Kommunale Kino CinéMayence, das nicht nur für seine sorgfältig kuratierten Filmprogramme bekannt ist, sondern auch dafür, alle gängigen Filmformate – bis hin zum Super-8-Film – zur Aufführung zu bringen. Als Publizist liegt sein thematischer Schwerpunkt auf den neuen Medien und dem Kurzfilm. Er arbeitet als freiberuflicher Redakteur für das online erscheinende Kurzfilmmagazin shortfilm.de und ist Autor zahlreicher Zeitschriften- und Buchbeiträge sowie von zwei Studien zur Situation des deutschen Kurzfilms: Expertise zur Situation des deutschen Kurzfilms (Oberhausen 1998) und Kurzfilm in Deutschland – Studie zur Situation des kurzen Films (Dresden 2006). Er ist seit vielen Jahren im In- und Ausland als Film- und Medienkunstkurator für Ausstellungen und Filmfestivals tätig, insbesondere für die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen.


Presseabteilung
13. Januar 2022