Gleich dreimal ist in den vergangenen sechs Jahren der Goldene Bär nach Portugal getragen worden. A life-changer?
Die dritte Generation an Regisseuren des zeitgenössischen portugiesischen Kinos hat die Fiktion als Möglichkeit verstanden, mit einer großen erzählerischen Freiheit die Gegenwart zu verhandeln. Filme verändern Leben und Bären geben den Glanz. Die Berlinale ist für die weltweite Kurzfilmszene ein Impulsgeber und ein Sprungbrett von enormer Tragweite. Die Vergabe des Goldenen Bären für den Besten Kurzfilm ist das Highlight der Preisverleihung! Dieser Preis ist die größte Zustimmung für das Autorinnenkino und Autorenkino der Zukunft. Ein Beispiel: 2014 gewannen Caroline Poggi und Jonathan Vinel mit Tant qu'il nous reste des fusils à pompe den Goldenen Bären. Die beiden haben in einem Interview mit Arte gesagt, dass der Gewinn des Bären für sie ein eindeutiges Zeichen war: Ihr radikal eingeschlagener, ästhetisch bemerkenswert konsequenter Weg ist richtig! 2016 zeigten wir bei Berlinale Shorts den unerreichten Film Notre Héritage der beiden, im letzten Jahr Martin Pleure von Jonathan Vinel. Nun wird ihr Spielfilmdebüt Jessica Forever bei chaosreigns unter den zehn meist erwarteten Filmen für 2018 gelistet – zwischen Weerasethakul und Lars von Trier.
Was kann der kurze Film, was der langen Form verwehrt bleibt?
Ich würde gar nicht zu stark abgrenzen wollen, denn beide Formen können vieles. Ich liebe den Kurzfilm für seine Prägnanz und Konzentration sowie für seine Möglichkeit, auf ein Umfeld schnell reagieren zu können. Die kurze Form ist ein großartiger Möglichkeitsraum!
Wie kann der Kurzfilm noch sichtbarer werden?
Ich denke derzeit über die Schaffung eines Archivs nach: eine Kinemathek der kurzen Form. Es gibt Vorbilder in Dänemark und Frankreich, und der Zuspruch dieser Archive, die Nachfrage nach den Filmen für verschiedenste Zusammenhänge – Unterricht, Recherche, Programmgestaltung – gibt der Initiative Recht. Es ist zeitgemäß, heute mit einem Online-Archiv die vielen Filme jenseits einer Festival-Präsentation zu nutzen. Europaweit arbeiten Kolleginnen und Kollegen mit ähnlichen Ideen. Zur Berlinale werden wir uns treffen, um die verschiedenen Anliegen zu koordinieren. Die Bundesregierung hat mit VISION KINO eine Initiative geschaffen, deren Hauptaugenmerk auf dem Kino als kultureller Ort liegt. Seit 2017 gibt es die Möglichkeit für Kinobetreiberinnen und Kinobetreiber, sich bei der Präsentation von Kurzfilmprogrammen finanziell unterstützen zu lassen. Ich denke an die Vielfalt der Form und möchte diese zugänglich machen – im Kino, in der Schule und Universität, für Museen und Kuratoren.