FW: Vielleicht noch ein Gedanke zur #MeToo-Debatte. Wir als Festival haben großen Respekt für die vielen Menschen, die sich jetzt trauen, oft unsägliche Geheimnisse zu lüften. Und wir sind der Meinung, dass man das System verändern muss. Vieles von dem, was das Festival als Ganzes zu dieser Debatte beitragen möchte, findet daher in den Industry-Initativen statt – nicht zuletzt im European Film Market oder bei uns, die wir Veränderungen in den Tiefenschichten anstoßen können. Wir fragen, wie sich Formen der Zusammenarbeit im Film so gestalten lassen, dass Hierarchien und Machtverhältnisse bewusster werden, so dass die Chance besteht, sie im nächsten Schritt zu verändern. Talents ist für solche Prozesse wie gemacht: Die 250 Talente plus die Expert*innen warten nur darauf, sich solche Fragen zu stellen – und sie haben sehr gute Ideen.
Diversity und Vielfältigkeit ist ja auch ein generelles Grundprinzip der Talents...
CT: Ja. Und das zu erleben, überwältigt uns immer wieder. Wenn ein Palästinenser und ein Israeli einen Workshop zusammen machen und erst am Ende der Woche feststellen, woher sie eigentlich kommen. Grenzen und kulturelle Befindlichkeiten gibt es nicht, Berlinale Talents ist in diesem Sinne ein ganz eigener, friedlicher Planet.
Die Filmemacher*innen begleiten
Mit dem Kompagnon-Förderpreis habt Ihr gemeinsam mit der Perspektive Deutsches Kino im letzten Jahr zum ersten Mal einen sehr besonderen Preis verliehen. Hat sich Euer Ansatz bewährt?
CT: Das Besondere des Preises ist, dass er über das hinausgeht, was viele andere Preise tun, nämlich den Leuten Geld in die Hand drücken und sagen: „Du machst das schon.“ Das ist auch schön und sehr wichtig, aber der Kompagnon will mehr. Er will wortwörtlich ein Begleiter sein, der für ein Jahr an der Seite der Gewinner*innen steht, hilft und unterstützt. Nora Fingscheidt, die letztes Jahr den Preis für ihr Projekt Systemsprenger gewonnen hat, hat sich relativ früh mit uns zusammengesetzt und überlegt, was sie eigentlich braucht. Und sich dafür entschieden, sich verschiedene Leute zu holen, die wie ein Notfalltelefon für sie funktioniert haben, wenn sie jemanden mit Erfahrung brauchte. So hat sie juristische Hilfe, Beratung bei der Drehbucharbeit und in der Vorbereitung der Produktion bekommen. Sie hat ein Netzwerk um ihr Netzwerk gesponnen. Und das ist unheimlich beglückend für uns zu sehen, denn genau dafür ist der Kompagnon gedacht.