Die Vielfalt der Film/Welt
Die Berlinale verkleinern, der Ruf nach einer strengeren kuratorischen Hand – Forderungen, die mittlerweile zum Festival gehörten wie das kalte Wetter. Angesichts des journalistischen Störfeuers im Vorfeld konnte der Eindruck entstehen, Dieter Kosslick müsse 2019 eine desolate und sinnfreie Veranstaltung an seinen Nachfolger übergeben. Dass dem nicht so war, bewiesen die Festivaltage, das Programm und die publizistische Debatte, die sich im Anschluss entspann. Klar wurde, dass die Berlinale lebte, denn ihre Einzigartigkeit stach 2018 deutlich hervor. Kritiker*innen wie Hannah Pilarczyk enthüllten der Öffentlichkeit keine unhaltbaren Zustände, die dringend revolutioniert werden müssten, sie waren einfach anderer Meinung und ihre Meinung war nicht mehrheitsfähig, wie sich herausstellte. „Das Dickicht, die Überfülle – das ist der Großstadtdschungel, das ist Berlin. Das unterscheidet die Berlinale von der hysterischen Übersichtlichkeit der Kleinstädte Cannes und Venedig [...]. Die Kritiker [...] scheitern mit ihrem Verständnis der Berlinale, weil sie schon mit ihrem Verständnis Berlins scheitern. Man sollte ihnen nicht entgegenkommen, indem man die Filmfestspiele zurückstutzt auf etwas, was dem autoritären Kleinstadtcharakter und seinen Herrschaftsfantasien entgegenkommt“, schrieb Jens Jessen am 14.02.2018 auf Zeit-Online. Man musste nur einmal frühmorgens über den Potsdamer Platz laufen, das langsam erwachende Gewimmel aus Journalist*innen, Fachbesucher*innen, Publikum, Selfie-Jäger*innen und Touristen beobachten, um die besondere Qualität und Atmosphäre des Festivals zu verstehen.
Ziel des Festivals war es nie gewesen, hermetisch abgeriegelte Expertendiskurse zu hofieren. Im Zentrum standen die Vielfalt und ein begeistertes Publikum, das die Kinosäle auch 2018 füllte.„Zeugt es nicht von cinephiler Selbstüberhöhung, zu glauben, das Publikum wolle an eine starke Hand genommen werden? Stattdessen könnte man auch darauf vertrauen, dass es die Menschen in dieser komplexen Welt schaffen, sich durch ein umfangreiches Programmheft anregen zu lassen und selbst zu orientieren“, argumentierte Wenke Husmann auf Zeit-Online (15.02.2018).