Welt am Draht

World on a Wire
Der Tod des Direktors am Institut für Kybernetik und Zukunftsforschung (IKZ) löst bei seinem Nachfolger Stiller viele Fragen aus: Was wollte ihm der Security-Mann Lause sagen, ehe er spurlos von der Bildfläche verschwand? Warum ist Stiller der Einzige, der sich an Lause erinnert? Hat das alles mit dem IKZ-Projekt »Simulacron-1« zu tun, in dem menschliches Leben durch elektronische Schaltkreise simuliert wird? Warum endet eine Straße plötzlich im Nichts? Ist Stillers Existenz etwa auch nur eine Simulation? … »Ich denke, also bin ich«: Beunruhigender als später The Matrix stellte Welt am Draht schon 1973 diese philosophische Grundannahme infrage. Plausibel weckt der Film Zweifel an jeglicher Identität, indem er Platons Höhlengleichnis in eine nahe Zukunft transponierte, die allein an Tastentelefonen, einem Videofon und einigen futuristischen Lichtskulpturen kenntlich wird. Elektronische Soundeffekte und Michael Ballhaus’ Kameraführung, die mit schwindelerregenden Fahrten und vielen Spiegelbildern die Orientierung erschwert, machen die Bedrohung, die in Fassbinders genialem Fernseh-Zweiteiler von IBM-Großrechnern ausgeht, bis in die Gegenwart auch emotional nachvollziehbar.
von Rainer Werner Fassbinder
mit Klaus Löwitsch, Barbara Valentin, Mascha Rabben, Karl Heinz Vosgerau, Wolfgang Schenck, Günter Lamprecht, Ulli Lommel, Adrian Hoven
Bundesrepublik Deutschland 1973 Deutsch 212’ Farbe

Mit

  • Klaus Löwitsch
  • Barbara Valentin
  • Mascha Rabben
  • Karl Heinz Vosgerau
  • Wolfgang Schenck
  • Günter Lamprecht
  • Ulli Lommel
  • Adrian Hoven

Stab

Regie Rainer Werner Fassbinder
Buch Fritz Müller-Scherz, Rainer Werner Fassbinder nach dem Roman „Simulacron-3“ (1964) von Daniel F. Galouye
Kamera Michael Ballhaus
Montage Marie-Anne Gerhardt
Musik Gottfried Hüngsberg
Ton Ernst Thomas
Bau-Ausführung Kurt Raab
Production Design Horst Giese, Walter Koch
Kostüm Gabriele Pillon
Maske Rosemarie Schönartz, Norbert Gerwin

Produktion

Westdeutscher Rundfunk (WDR)

Zusatzinformationen

DCP: Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin

Rainer Werner Fassbinder

Geboren 1945 in Bad Wörishofen. Bedeutendster und international gefeierter Regisseur des Neuen Deutschen Films, 1969 Berlinale-Teilnahme mit dem Spielfilmdebüt Liebe ist kälter als der Tod. Fassbinder war auch als Produzent von Filmen und Theaterstücken, als Autor und Darsteller in eigenen und den Werken anderer tätig. 1978/79 begann er eine Trilogie, bei der Frauen im Zentrum deutscher Alltagsgeschichten stehen: Die Ehe der Maria Braun, Lola und Die Sehnsucht der Veronika Voss. Fassbinder starb 1982 in München, in nur 14 Jahren drehte er 44 Filme.

Filmografie (Auswahl, als Regisseur)

1966 This Night; Kurzfilm · Der Stadtstreicher (The City Tramp); Kurzfilm 1967 Das kleine Chaos (The Little Chaos); Kurzfilm 1969 Liebe ist kälter als der Tod (Love Is Colder Than Death) · Katzelmacher · Götter der Pest (Gods of Plague) · Warum läuft Herr R. Amok? (Why Does Herr R. Run Amok?) 1970 Rio das Mortes · Das Kaffeehaus · Whity · Niklashauser Fahrt (The Niklashausen Journey) · Der amerikanische Soldat (The American Soldier) · Warnung vor einer heiligen Nutte (Beware of a Holy Whore) · Pioniere in Ingolstadt (Pioneers in Ingolstadt) 1971 Händler der vier Jahreszeiten (The Merchant of Four Seasons) 1972 Die bitteren Tränen der Petra von Kant (The Bitter Tears of Petra von Kant) · Wildwechsel (Jail Bait) · Acht Stunden sind kein Tag (Eight Hours Don’t Make a Day) · Bremer Freiheit (Bremen Freedom) 1973 Welt am Draht (World on a Wire) · Nora Helmer · Martha · Angst essen Seele auf (Ali: Fear Eats the Soul) 1974 Fontane Effi Briest · Faustrecht der Freiheit (Fox and His Friends) · Wie ein Vogel auf dem Draht (Like a Bird on a Wire) 1975 Mutter Küsters’ Fahrt zum Himmel (Mother Küsters Goes to Heaven) · Angst vor der Angst (Fear of Fear) · Ich will doch nur, dass ihr mich liebt (I Only Want You to Love Me) 1976 Satansbraten (Satan’s Brew) · Chinesisches Roulette (Chinese Roulette) · Bolwieser 1977 Frauen in New York (Women in New York) · Despair – Eine Reise ins Licht (Despair) · Deutschland im Herbst (Germany in Autumn); Episodenfilm, Regie eines Segments 1978 Die Ehe der Maria Braun (The Marriage of Maria Braun) · In einem Jahr mit 13 Monden (In a Year with 13 Moons) 1979 Die dritte Generation (The Third Generation) 1980 Berlin Alexanderplatz · Lili Marleen 1981 Lola · Theater in Trance (Theatre in Trance) · Die Sehnsucht der Veronika Voss (Veronika Voss) 1982 Querelle

Stand Bio- & Filmografie: Berlinale 2017