Ganz im Sinne eines Zeitalters der Konnektivität ist das Motto dieses Jahr „The Nature of Relations“. Inwieweit können Beziehungen natürlich sein?
Christine Tröstrum: Uns geht es um die Wirkungsebenen menschlicher Beziehungen. Alles hängt mit allem zusammen. Viele Menschen nehmen dies oft nicht mehr in allen Einzelheiten und Zusammenhängen bewusst wahr. Sprichwörtlich sagt man: „Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.“
Florian Weghorn: Und natürlich liegt das Gestalten und Pflegen von Beziehungen auch in der Natur von Berlinale Talents. Wir vergegenwärtigen uns diese Prozesse und machen sie in den Veranstaltungsformaten stärker leb- und sichtbar. Begriffe wie „interdisziplinäres Arbeiten“ oder „connected thinking“ bringt ja derweil jeder leicht über die Lippen, selbst im guten alten Filmbusiness. Wir erproben sie auf ganz praktischen Ebenen: Bei uns sprechen die Gäste nicht nur darüber, welche außergewöhnliche Verbindung sie zu einem Regisseur haben, sondern Regisseur und Produzent sitzen zusammen auf der Bühne.
Ein Merkmal der Filmproduktion ist ja seit jeher die kollektive Arbeit. Gleichzeitig gibt es seit den1960er Jahren einen äußerst virulenten Autorenbegriff. Ist gemeinsames Arbeiten heute wieder besonders präsent?
FW: Wir wagen nicht zu definieren, was gerade en vogue ist oder nicht. Das Ideal des eremitischen Filmautoren in der stillen Kammer begegnet uns aber eher selten. Unter den Talenten sind Filmemacher, die gerade Kollektive gründen, die sich zusammenrotten, auch aus Notwendigkeiten heraus – finanzieller Natur, aufgrund fehlender Infrastrukturen oder nach dem Wegbrechen anderer gesellschaftlicher Schutzräume für Kunst. Filmemachen, im Großen und im Kleinen, erfordert immer diesen persönlichen, gut vernetzten Mikrokosmos, in dem ich produziere und auch meine Zuschauer finde.
Die Einstellung ist die Einstellung
Wie anschlussfähig muss ein Talent heute sein, um sich in der Filmbranche durchsetzen zu können? Besteht die Gefahr, in diesem Beziehungsgeflecht die eigene Vision zu verlieren?
FW: Im Gegenteil, die eigenständige Vision ist Voraussetzung, um heute bestehen zu können. Das spielt auch eine starke Rolle für unsere Bewerber. Neben künstlerischer Leistung und einem innovativen Ansatz stellt sich das Auswahlgremium die Frage, inwieweit eine Haltung erkennbar ist. Es muss ein Resonanzraum entstehen, innerhalb eines Landes, innerhalb der Zielgruppe des Filmvorhabens. Da muss ein gewisser Widerhall, eine Relevanz und ein Bezug auf aktuelle Themen spürbar sein.