Film über Film
Ein weiterer Höhepunkt des Berlinale Special im Haus der Berliner Festspiele war die Aufführung von André Singers Night Will Fall, einer Dokumentation über die bizarre und verschachtelte Entstehungsgeschichte eines anderen Films: German Concentration Camps Factual Survey, der die Aufnahmen aus den befreiten KZs, die von alliierten Kameramännern 1945 gedreht worden waren, in eine filmische Form zu bringen sucht. Politische Interessen verhinderten die Fertigstellung des Films – trotz eines geheimnisumwitterten Auftritts der Regielegende Alfred Hitchock – so dass German Concentration Camps Factual Survey erst 2014 seine Welturaufführung erlebte; und das im Forum, dessen Leiter Christoph Terhechte sich freute, die endgültige Fassung präsentierten zu dürfen, nachdem Fragmente des Materials unter dem Titel Memory of the Camps 1984 in der Sektion zum ersten Mal zu sehen waren. Das Forum prunkte 2014 mit der aufwändigsten koreanischen Produktion aller Zeiten, Seolguk-yeolcha (Snowpiercer) von Bong Joon Ho, einer filmischen Endzeitvision mit Tilda Swinton und John Hurt, die beide zur Premiere kamen. Nach Berlin kam auch einer der prominentesten zeitgenössischen Schriftsteller, um mit den Besuchern des Forums die Weltpremiere von L'enlèvement de Michel Houellebecq (The Kidnapping of Michel Houellebecq) zu feiern. Regisseur Guillaume Nicloux zeigt Houellebecq als kettenrauchenden Cameo, der über die temporäre Flucht aus seiner bourgeoisen Pariser Existenz mehr als dankbar ist. Ohne die Mannigfaltigkeit der Sektion freilich gänzlich fassen zu können, wurden die ‚Tollheiten des Kulturbetriebs und gnadenlose Arbeitswelten‘ als thematische Leitlinien des Forums 2014 ausgegeben und etwa mit Que ta joie demeure (Joy of Man's Desiring) von Denis Côté – der 2013 im Wettbewerb einen Silbernen Bären gewonnen hatte – in den verschiedensten Facetten filmisch besetzt.
Das Panorama gab sich gewohnt kämpferisch, „Weltveränderung ist dem Panorama Herzensangelegenheit“ lautete der Schlachtruf des Kurators Wieland Speck. Das Programm erkundete wie gewohnt den aktuellen Stand des Weltkinos, wobei ein kritisch-politischer Unterton in fast jedem der gezeigten Filme mitschwang – eine der wenigen Ausnahmen bildete 20,000 Days on Earth von Iain Forsyth und Jane Pollard, dessen Protagonist, die Musikerikone Nick Cave, begeistert in Berlin begrüßt wurde. Das Transkino, von jeher integraler Bestandteil jeder Panorama-Edition, wurde durch die weltpolitischen Ereignisse im Februar 2014 noch einmal in seiner Bedeutung bestärkt. Einen Tag nach der Eröffnung der 64. Berlinale fiel der Startschuss für die Olympischen Winterspiele 2014 – Austragungsort war das russischen Sotchi und der Präsident des Landes, Wladimir Putin, hatte im Vorfeld immer wieder mit seinen sinnfreien Hasstiraden gegen Homosexuelle um Aufmerksamkeit gebettelt. Stolz durfte die Sektion 2014 sein, weil sie den Gewinner des Preis Bester Erstlingsfilm stellte: Güeros von Alonso Ruizpalacios aus Mexiko. Doch auch im Panorama gab es jene Tendenz, die bei der Bärenvergabe gegen Ende des Festivals nur allzu deutlich wurde: Auffällig war die Vielfalt asiatischer Produktionen, das Hauptprogramm etwa wurde mit dem Post-Klimakatastrophen-Thriller Nước (2030) von Nghiêm-Minh Nguyễn-Võ eröffnet.