Mon oncle

French Version | Französische Fassung
Monsieur Hulot lebt in der Dachwohnung eines verwinkelten alten Mietshauses inmitten einer Welt, in der die Zeit stehen geblieben sein muss. Vor der Tür ein Wochenmarkt, gegenüber das Bistro und um ihn herum ein Kosmos aus liebenswerten, etwas verschrobenen Menschen, die Eile nicht kennen. Doch wir befinden uns im Jahr 1958 und nicht überall werden die Segnungen der Moderne so wenig geachtet wie hier. Hulots Neffe Gérard zum Beispiel, den Hulot manchmal von der Schule abholt, lebt in einem Hightech-Haus. In der Küche öffnen sich die Schränke automatisch, 1958 keineswegs übliche Geräte wie Kühlschrank und Mixer sind genauso vorhanden wie avantgardistische Maschinen, die leise vor sich hin knurren, ohne dass klar wird, wofür sie eigentlich gebraucht werden. Hulots Schwager, der Plastikfabrikant Arpel, hat diese Villa für seine Familie gebaut. Bei einer Einladung der Arpels, bei der Hulots Schwester ihren unverheirateten Bruder mit einer Nachbarin verkuppeln will, läuft Gérards Lieblingsonkel zu großer Form auf. MON ONCLE wird im Programm der diesjährigen Retrospektive gezeigt.
„Tati vereinfacht wie alle Moralisten, er teilt die Welt in Gut und Böse: Böse ist die Welt der Technik, die Villa des Plastikfabrikanten mit Straßenkreuzerromantik und Knopfdrucksystemen; gut ist die Welt um den altmodischen Marktplatz, wo Katzen schnurren, Conciergen keifen, wo ein Aperitif mehr als die Arbeit gilt, im Hintergrund Musette-Musik. Wer aus dieser Welt in jene vordringt, ist hoffnungslos zum Scheitern verurteilt.“ Aus: Ralph Eue, Gabriele Jatho (Hg.): Schauplätze, Drehorte, Spielräume. Production Design + Film. Berlin 2005. Das Buch erscheint zur gleichnamigen Retrospektive der Berlinale.
von Jacques Tati
mit Jacques Tati, Adrienne Servantie
Frankreich / Italien 1956-58 116’