Zusätzliches

30.09.2020
Historische Studie zu Berlinale-Gründungsdirektor Alfred Bauer

Studie bestätigt, dass Bauers Rolle in der Reichsfilmintendanz bedeutender war als bisher bekannt und von ihm nach 1945 systematisch verschleiert wurde

Die Geschäftsführung der Internationalen Filmfestspiele Berlin hatte im Februar 2020 das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) beauftragt, Alfred Bauers Position in der NS-Filmbürokratie näher zu untersuchen. Anlass war die Medienveröffentlichung von Quellen, die Bauers Rolle und Aufgaben in der Reichsfilmintendanz neu beleuchteten.
Die Reichsfilmintendanz wurde durch Erlass des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels vom 28. Februar 1942 geschaffen und war die zentrale Institution zur Steuerung der Filmproduktion im NS-Regime. Alfred Bauer war Referent des Reichsfilmintendanten. Nach Kriegsende setzte er seine Karriere in der deutschen Filmindustrie fort und wurde 1951 der erste Leiter der neu gegründeten Internationalen Filmfestspiele Berlin; diese Position hatte er bis 1976 inne.

Die von PD Dr. Tobias Hof im Auftrag des IfZ erstellte Studie (Zusammenfassung, PDF (514 KB)) zeigt auf, dass Alfred Bauer sich der bedeutenden Rolle der Reichsfilmintendanz im Propaganda-Apparat der NS-Herrschaft bewusst gewesen sein musste. Seine Aufgabe in der Reichsfilmintendanz trug zum Funktionieren, zur Stabilisierung und Legitimierung der NS-Herrschaft bei. Bauer schloss sich zudem schon früh (ab 1933) verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen an und wurde 1937 Mitglied der NSDAP.
Weiter legt die Studie offen, dass Bauer während seines Entnazifizierungsverfahrens (1945–47) durch bewusste Falschaussagen, Halbwahrheiten und Behauptungen seine Rolle im NS-Regime zu verschleiern versuchte und sich stattdessen das Image eines Gegners des NS-Regimes konstruierte.

„Die neuen und nun auch wissenschaftlich erforschten Erkenntnisse über Alfred Bauers Verantwortlichkeiten in der Reichsfilmintendanz und sein Verhalten im Entnazifizierungsverfahren sind bestürzend. Sie sind aber ein wichtiges Element in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Kulturinstitutionen, die nach 1945 gegründet wurden. Es stellt sich daher die Frage, welche personellen Kontinuitäten die deutsche Kulturszene in den Nachkriegsjahren prägten. Durch die neuen Kenntnisse verändert sich auch der Blick auf die Gründungsjahre der Berlinale“, sagt Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek. „Die IfZ-Studie weist zudem darauf hin, dass es noch zahlreiche Forschungslücken bei der historischen Betrachtung der Nachkriegs-Filmbranche gibt.“

Für nähere Informationen über die Studie können Sie sich direkt an das IfZ wenden: https://www.ifz-muenchen.de/das-institut/presse/kontakt-service/

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Presseabteilung
30. September 2020